22. Februar 2022
Rechner-Abwärme soll Wohnungen heizen
EVO-Vorstandschef Meier: „Leuchtturmprojekt“ / Jahresüberschuss von 20,4 Millionen Euro / Höhere Dividende
OFFENBACH, 22. Februar 2022. Das Betriebsgelände der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) entwickelt sich mehr und mehr zu einem High-Tech-Campus. In den nächsten zwei Jahren soll auf dem Areal am Offenbacher Nordring ein weiteres Rechenzentrum entstehen. Der Clou dabei: Bereits jetzt sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Abwärme aus dem Rechenzentrum in das Fernwärmenetz der EVO eingespeist werden kann. „Das Abwärme-Projekt ist ein Baustein unseres Klimaschutzpakets für Stadt und Kreis Offenbach, mit dem wir die Klimawende in der Region vorantreiben“, berichtete Vorstandsvorsitzender Dr. Christoph Meier bei der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens vor Journalisten.
Das Rechenzentrum wird vom EVO-Partner Vantage Data Centers errichtet, einem international tätigen Betreiber von Rechenzentren. Baubeginn wird aller Voraussicht nach bereits in diesem Frühjahr sein. Die Vorarbeiten für den Bau auf dem EVO-Gelände haben bereits in diesem Januar begonnen – unter anderem müssen zwei Gebäude abgerissen werden, wie der EVO-Vorstandsvorsitzende weiter ausführte. Der erste Teil des Data-Centers solle im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2024 in Betrieb gehen.
Bekanntlich erzeugen Computer in Rechenzentren viel Wärme; doch bisher entweicht diese Energie vielerorts ungenutzt in die Umwelt. Die EVO will die Abwärme aus dem Data-Center mit Hilfe von Wärmetauschern und einer Wärmepumpe in ihr Fernwärmenetz einspeisen. In dieses Projekt investiert der Versorger einen Millionenbetrag. „Die verfügbare Wärmemenge im Endausbau entspricht rund neun Megawatt. Das sorgt rein rechnerisch in mehr als 1.200 Drei-Personen-Haushalten für warmes Wasser und warme Heizkörper“, sagte Dr. Meier weiter. Für diese Wärme müsse keine Kohle, kein Erdgas und kein Erdöl mehr verbrannt werden. „Damit wird das Rechenzentrum in Sachen Nachhaltigkeit zum Teil der Lösung“, fügte der EVO-Chef hinzu. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die EVO das neue Data-Center mit sauberem Ökostrom versorge.
Bei dem Online-Meeting mit den Journalisten wertete Dr. Meier das Konzept als ein „Leuchtturmprojekt“, in das viel Arbeit und viele gute Ideen eingeflossen seien. Mit dem Partner Vantage und im konstruktiven Austausch mit der Lokalen Agenda 21 habe die EVO alles unternommen, um das Rechenzentrum so ökologisch und effizient wie momentan möglich zu gestalten. „Das erreichen wir mit der Nutzung der Abwärme für die Bürger und Vantage durch die optimale Kühlung der Server“, hob Dr. Meier hervor. Nach Auffassung der Lokalen Agenda 21 „geht die EVO damit konsequent neue nachhaltige Wege“.
Vantage betreibt auf dem EVO-Campus bereits seit rund zwei Jahren das Rechenzentrum Main DC 1. Für den Bau des neuen Komplexes habe nicht nur die gute Lage des EVO-Geländes inmitten des Rhein-Main-Gebiets gesprochen, sondern auch die unmittelbare Nähe zu einem der wichtigsten Internetknoten namens DE-CIX in Frankfurt. „In Luftlinie sind wir nur rund 800 Meter davon entfernt“, sagte der EVO-Vorstandschef. Damit sei die schnelle Anbindung des Rechenzentrums an die weltweiten Datenströme sichergestellt. Zugleich biete die zentrale Lage inmitten eines engmaschigen Stromnetzes mit dem EVO-Umspannwerk in seinem Zentrum die bestmöglich sichere und zuverlässige Versorgung der Datenserver mit der notwendigen elektrischen Energie, was der Energiemanager als eindeutigen Standortvorteil für jedes Rechenzentrum wertete.
Wie der Vorstandsvorsitzende darüber hinaus deutlich machte, haben Vantage und die EVO ihre Zusammenarbeit kürzlich neu geordnet. Die Partner werden sich seinen Worten zufolge künftig auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren. Das neue Rechenzentrum werde von Vantage allein betrieben und vermarktet. „Wir kümmern uns dafür um alle Fragen rund um das Thema Energie, die für Rechenzentren immer wichtiger werden“, hob Dr. Meier hervor.
Zugleich habe die EVO ihre Geschäftsanteile am Rechenzentrum MAIN DC 1 an Vantage verkauft. Die damit verbundenen Erlöse, über deren Höhe die Partner Stillschweigen vereinbart haben, sollen nach Angaben des Energiemanagers der Finanzierung zwingend notwendiger Investitionen in die nachhaltige Energieversorgung von Stadt und Kreis Offenbach dienen – „unter anderem sollen die Mittel in den Ausbau unseres Hochspannungsnetzes und in die zukünftige ökologische Wärmeversorgung der Stadt Offenbach fließen“.
Mit dem Geschäftsergebnis des Jahres 2021 zeigte sich der Vorstandschef zufrieden: Der Jahresüberschuss beträgt 20,4 Millionen Euro und liegt damit um 0,5 Millionen Euro niedriger als im Vorjahr. Die Differenz ergibt sich aus einmaligen Sondereffekten. Das operative Geschäft der EVO sei durchweg gut gelaufen – sämtliche Planzahlen seien erreicht worden. Die Umsatzerlöse der AG sind leicht gestiegen – auf 276,9 Millionen Euro nach 263,7 Millionen Euro im Vorjahr.
Die Bilanzsumme der AG liegt mit 349,7 Millionen Euro leicht über dem Vorjahresniveau von 339,2 Millionen Euro. Das Eigenkapital erhöht sich auf 132,5 nach 129,9 Millionen Euro. Die neue Eigenkapitalquote beträgt exakt 34 Prozent. Die Umsatzerlöse der EVO-Gruppe belaufen sich auf 402,9 Millionen Euro, nach 379,7 Millionen Euro im Vorjahr (plus 23,2 Millionen Euro). Das Anlagevermögen bleibt mit 409,4 Millionen Euro nahezu unverändert (Vorjahr: 408,9 Millionen Euro).
Die Aktionäre erhalten für das Geschäftsjahr 2021 eine höhere Dividende von einem Euro je Aktie (Vorjahr: 96 Cent). Das heißt: Rund neun Millionen Euro fließen jeweils an die beiden Hauptaktionäre der EVO – die MVV Energie AG und die Stadtwerke Offenbach Holding GmbH. Knapp 600.000 Euro werden an die Anteilseigner aus dem Kreis der Belegschaft ausgeschüttet. Nahezu zwei Millionen Euro des Jahresergebnisses fließen in die Rücklagen und verbleiben im Unternehmen. Die Zahl der Beschäftigten in der EVO-Gruppe ist mit 805 zum Stichtag 30. September 2021 leicht gestiegen (plus sieben Beschäftigte).
Die trotz Corona-Pandemie erfolgreich umgesetzten Großprojekte der vergangenen Jahre – wie der neue Windpark im Main-Kinzig-Kreis oder der Aufbau einer Klärschlamm-Verwertung für die Region im Müllheizkraftwerk – wertete EVO-Chef Dr. Meier als starkes Zeichen für die Leistungskraft seines Unternehmens. „Wir schreiben schwarze Zahlen – mit grünen Ideen“, führte er aus. Die EVO beweise immer wieder, dass sie auch in unsicheren Zeiten ein verlässlicher Partner für Kommunen und Bürger in der Region sei. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet der Manager für die EVO in Summe ein operatives Geschäft auf einem vergleichbaren Niveau. Darauf jedenfalls deuteten die aktuell vorliegenden Zahlen hin.
EVO-Technikvorstand Günther Weiß wies vor Journalisten darauf hin, dass das aktuelle Abwärme-Projekt nur ein Baustein des Klimaschutzpakets der EVO sei. „Wir können zum Glück an vielen Stellschrauben drehen“, sagte Weiß. Bereits vor rund zwei Jahrzehnten habe sein Unternehmen damit begonnen, zahlreiche Klimawende-Initiativen zu entwickeln. Seither seien unter anderem 45 moderne Windräder entstanden, die saubere Energie für rund 240.000 Menschen erzeugten. Hinzu kämen zahlreiche Photovoltaik-Anlagen – etwa auf ehemaligen Mülldeponien im Main-Kinzig-Kreis oder auf dem Stadion „Bieberer Berg“.
Das Klimaschutzpaket werde auch in den nächsten Jahren mit weiterem Inhalt gefüllt. Die EVO arbeitet nach Worten von Günther Weiß derzeit intensiv an einer Gesamtlösung für die Wärmeversorgung von Stadt und Kreis Offenbach, die noch in diesem Jahrzehnt zu weiteren erheblichen Minderungen an Kohlendioxid-Emissionen führen werde. Das Einspeisen der Abwärme aus dem Rechenzentrum ist Weiß zufolge Teil dieser Lösung und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Wie bereits bekannt sei, solle das Heizkraftwerk am Offenbacher Nordring bis Ende dieser Dekade durch ökonomisch und ökologisch sinnvolle Alternativen ersetzt werden.
Bis dahin setze die EVO im Heizkraftwerk mehr und mehr Holzpellets anstelle von Kohle ein. Den gesamten Winter über lief bereits ein Test mit den Pellets aus dem EVO-Pelletwerk in Offenbach. Die bisherigen Erkenntnisse sind laut Weiß ermutigend: „Im Verlauf dieses Winters wollen wir rund 4.500 Tonnen Pellets mitverbrennen. Damit ersetzen wir mehr als 3.000 Tonnen Kohle. Das hat positive Folgen für die lokalen CO₂-Emissionen und damit für das Klima. Denn der CO₂-Effekt beläuft sich auf 7.500 Tonnen.“ Auf lange Sicht sei eine Mitverbrennung von bis zu 20.000 Tonnen Pellets im Jahr realistisch.